Presseerklärung

Ausverkauf des Versammlungsrechts: Stadt Jena und Polizei werfen der NPD das Versammlungsrecht zum Fraß vor

Ordnungs- und Rechtsamt der Stadt Jena gebärden sich wie die Opfer von Gesetz und Justiz, sind aber in Wirklichkeit selbst bereit, den Ausverkauf grundgesetzlich geschützte Güter wie des Demonstrationsrechts mit leichter Hand einzuläuten.

Wenn die Stadt Jena jetzt behauptet, sie sei vom Oberverwaltungsgericht Thüringen (OVG) gezwungen worden, die Nazi-Veranstaltung Fest der Völker auf dem Gries zu genehmigen, obwohl dort bereits zwei antifaschistische Veranstaltungen angemeldet waren, so ist das schlicht gelogen! Vertreter der Stadt Jena (Namen bekannt) haben selber am Donnerstag, 9.6.05, den Gries als Ausweich-Standort für das umstrittene Nazifest in mündlicher Verhandlung vor dem OVG vorgeschlagen. Sie wussten, dass sie damit gegen das Erstanmelder-Privileg gleich zweier gegen die Nazi-Veranstaltung gerichteter Veranstalter verstießen! Mehr noch, das nicht ortskundige OVG war guten Glaubens, dass nach Einschätzung der in der Verhandlung vertretenen Polizei und Ordnungsbehörde beide rivalisierenden Veranstaltungen auf dem Gries mit entsprechender räumlicher Trennung möglich sein könnten. (Zitat aus OVG-Entscheid siehe unten.) Welcher Art diese, im Eilverfahren höchst unübliche Anhörung auch gewesen ist und wer daran teilgenommen hat (etwa auch das Innenministerium?), im Ergebnis sind in Gutsherrenmanier die Rechte der betroffenen Anmelder missachtet worden.

Tatsache ist, dass auf dem Gries seit langem (18.2.05) eine Kundgebung zum Gedenken an die Massaker von Wehrmacht und SS (u.a. in Distomo, Oradour sur Glane, Lidice) für den 11. Juni 05 angemeldet war und dass am

3.6.05 in Absprache mit den ersten Erstanmeldern die

Auftaktkundgebung einer antifaschistischen Demonstration Gegen Geschichtsrevisionismus und die Verherrlichung des Nationalsozialismus dort noch zusätzlich von der Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus Weimar angemeldet worden ist. Wenn die Stadt nach der OVG-Entscheidung in Absprache mit der Polizeidirektion ausgerechnet den GegendemonstrantInnen unter Missachtung ihrer Grundrechte die Nazis vor die Nase setzt, so ist das als zynische Provokation und Aufkündigung jeglicher Kooperation zu werten, die gespielte Betroffenheit als reine Heuchelei.

Auf den Widerspruch des Anmelders vor dem Verwaltungsgericht Gera am Freitagnachmittag (durch Rechtsanwalt Stefan Schrage, Berlin Kontakt kann hergestellt werden), erhielt man mit der Ablehnung den lapidaren Hinweis, in der Kürze der Zeit lasse sich nicht mehr ermitteln, wer nun Erstanmelder auf dem Gries gewesen sei. Da es jedoch niemals eine Anmeldung von Wohlleben/NPD für den Gries gegeben hat (sondern die Stadt Jena den Platz trotz Erstanmeldungen ins Spiel brachte), hat auch das VG mit einem windigen Zeitargument die Grundrechte der Erstanmelder in eklatanter Weise übergangen. Die Erstanmelder sind gegen diesen haarsträubenden Umgang mit gesondert geschützten Grundrechten in Beschwerde gegangen und erwägen im Nachgang eine Fortsetzungsfeststellungsklage.

Im übrigen sei auch die Feststellung gestattet, dass offenbar niemand zu keinem Zeitpunkt ernsthaft die Inhalte der Nazi-Veranstaltung als möglichen Verbotsgrund wegen § 130 StGB und Verhöhnung der Opfer des Holocaust geprüft hat. Das ist der Beginn einer verheerenden Normalität nazistischer Veranstaltungen mitten unter uns.

Dankenswerterweise ist der Gries in den frühen Morgenstunden des Samstag von rund 500 AntifaschistInnen friedlich blockiert worden, so dass die Nazis auf ein Grundstück außerhalb der Stadt ausweichen mussten.

Mit wehrhafter Demokratie sind die betroffenen Anmelder jedoch erstmal bedient!

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