/ Zelte im Schatten der Ereignisse /


Die folgende Diskussion ist der szenisch vorgetragene Input für eine Diskussionsveranstaltung über das Camp in Köln, bzw. die schriftliche Vorgabe, von der die Laien-SchauspielerInnen natürlich in ihrer Leidenschaft abwichen.

(1) Hallo, wir wollen versuchen, über das Kölner Camp zu sprechen, diesmal aber ohne zwangsläufig über das bekanntlich unschöne Ende - die Räumung durch die Polizei am Samstag - also ohne sofort über die Repression zu reden. Wir haben uns statt dessen gefragt, was eigentlich die innere Spannung des Camps ausgemacht hatte, bzw. woran es lag, dass von dieser Spannung so wenig zu spüren war und letztlich allgemeine Perspektivlosigkeit herrschte.

(2) kommt herein, unterbricht.
(2) Ach hör doch auf mit Perspektivlosigkeit, ich heul gleich! Was bedeutet das denn? Seit ich politisch denken kann, herrscht irgendwie immer Perspektivlosigkeit und die Bewegung steckt notorisch in der Krise. Das ist doch das absolute Totschlagargument. War es nicht vielmehr so, dass 700 Menschen aus dem ganzen Land zusammenkamen, und ganz genau wussten, was sie da in Köln wollten?

(1) So? Was wollten diese Menschen denn außer sich darin zu bestätigen, auf der richtigen Seite zu stehen und ansonsten ihr Zusammensein möglichst professionell zu managen?

(2) Sie wollten zumindest gegen Rassismus kämpfen und gegen staatliche Kontrolle.

(3) interveniert aus dem Zuschauerraum.
(3) Und außerdem denen eine Plattform bieten, die ansonsten marginalisiert sind in dieser Gesellschaft.

(1) Du sprichst jetzt von den Flüchtlingen oder? In dem wie du es sagst, lag überhaupt der gesamte politische Bankrott des Camps. WIR bieten DENEN eine Plattform, lassen DIE reden, fordern Solidarität mit DEN Flüchtlingen. Und warum? Weil es denen so schlecht geht. Damit macht das Camp das selbe wie das Migrationsregime auch, es macht aus MigrantInnen Opfer und Flüchtlinge.

(3) Ja du Schlaumeier, aber Flüchtlinge brauchen trotzdem unsere Solidarität in diesem Land, wo rassistischer Konsens herrscht.

(1) Nein, es ist genau andersherum, diese Szene braucht die Flüchtlinge, weil sie sich damit gegenseitig erpressen kann und immer eine Referenz hat, ihr humanitär-politisches Handeln zu motivieren und sich dabei edel vorkommen? Es spricht den Deutschen von Rassismus frei. Aber was die Leute da selber wollen war in Köln völlig unklar.

(2) Das stimmt zwar, aber letztes Jahr bei dem Land in Sicht Camp in Hamburg haben die Organisatoren ohne die Referenz auf den Rassismus und DIE Flüchtlinge dieselbe schlechte Politik gemacht wie dieses Jahr in Köln, nur eben nur noch mit Deutschen.

(3) Genau, was Du da forderst ist doch diese autonome Politik der ersten Person. Die interessiert sich doch für nichts anderes als für die eigene Befindlichkeit. Themen jenseits des eigenen Horizonts fallen dabei weg.

(1) Dein Begriff von Autonomie ist doch völlig verkürzt. Autonomsein bedeutet doch nicht, sich nur um die eigenen Angelegenheiten zu kümmern, sondern sich selber als Person in die Widersprüche zu begeben und darin sich selber zu hinterfragen.

(3) Ja genau, sich selbst ins Verhältnis setzen - das sagt Rommelspacher übrigens auch, man muss immer die eigenen Dominanzverhältnisse mitdenken, grade im Umgang mit MigrantInnen.

(1) Quatsch, eben genau nicht. Mit Rommelspacher Antirassismus denken bedeutet, den Unterschied zwischen den Leuten auf dem Camp immer schon vorwegzunehmen und damit automatisch festzuklopfen. Dann werden alle Katzen grau und alle MigrantInnen zu armen Opfern und alle AntirassistInnen zu Rassisten. Autonom bedeutet doch vielmehr, sich nicht nur gegen ein Unterdrückungsverhältnis zu organisieren, sondern für eine Utopie, und dafür rebellisch zu werden, auch untereinander. Und zwar ohne Angst, dabei nicht auf der richtigen Seite zu stehen. Genau das hat auf dem Camp gefehlt. Dort wollte niemand was, außer vielleicht, nicht das Falsche zu sagen aus Angst.

(4) ruft rein.
(4) Utopie ohne Angst, das ist doch esoterischer Blödsinn. Die politische Dynamik des Camps war groß, es liefen viele erfolgreiche Aktionen mit vielen Leuten, die Presse war gut und das Camp war extrem widerspenstig. Nicht ohne Grund wurde es am Ende von den Bullen abgeräumt.

(2) Naja, ich glaube eher, das Camp wurde geräumt, grade weil es nicht so stark war. Ich fand auch, dass es trotz der vielen Leute eher sehr lau war. An ein starkes Camp hätte sich die Polizei nicht so einfach rangetraut.

(1) Jetzt sagst du mal was! Es wird jetzt nach dem Camp immer zwischen denen diskutiert, die sich wundern warum denn geräumt wurde, obwohl man doch gar nicht so viel angestellt hatte und denen die sagen, man sei im Gegenteil dem Staat doch ein Dorn im Auge gewesen. Ich glaube auch, dass es geräumt wurde, nicht obwohl, sondern weil es schwach war.

(4) Na ja, kein Wunder, wenn es Leute gab, die nicht solidarisch waren und intern nur rumprovozierten, konnte es ja keine starke Einheit geben, die den Bullen was entgegenzusetzen hatte. Aber dennoch waren die Aktionen wie die gegen untertarifliche Zwangsarbeit bei IKEA oder gegen den Hehler Hitlers Otto Wolf von Amelungen erfolgreich.

(1) Du immer mit deinem erfolgreich. Sind wir ein Börsenunternehmen oder was?

(2) Das nervt mich auch, denn man kann zwar auf der Domplatte pink und silver rumhopsen aber dennoch keine Idee haben, was man eigentlich will.

(3) Na den Rassismus bekämpfen und nicht sich gegenseitig. Für offene Grenzen, das ist meine Utopie, für eine Welt ohne Verwertung von Menschen, ohne Herrschaft.

(1) Das ist so schön wie billig was du da sagst. Denn dann müssten die Leute auf dem Camp sich ja eher Gedanken machen, wie sie auch miteinander umgehen und ihr Stück Ferienkommunismus nicht in ein bürgerliches Dorf der Vertretungspolitik verwandeln - nur irgendwie viel bunter.

(3) Da hast du mal recht, der Umgang untereinander war oft krass. Z.B. dieses dominante Redeverhalten von einigen, die sich nicht an die Redeliste hielten, war ganz schön ätzend. Das ist ein Umgang, den ich nicht will.

(2) Ach Gottchen, hör mir bloß auf mit Redelisten. Das ist dann die linke Form von Herrschaftsfreiheit, sich Benimm- und Verhaltensregeln und Institutionen des Sozialmanagements schaffen, oder was? Das ist doch bürgerliche Gesellschaft pur. Statt sich direkt aufeinander beziehen zu können, setzt man voraus, dass dabei nur ein Verbrechen oder ein Übergriff raus kommen kann und verbietet es sich dann lieber gleich vorweg schon.

(4) Was meinst denn jetzt damit?

(1) Ich glaub, ich weiß was er meint. Na, die Redelisten zum Bsp. Nur weil man Angst davor hat, dass sich gegenseitig ins Wort gefallen wird, gibt man lieber gleich auf, sich direkt aufeinander beziehen zu können und schafft Redelisten, die nur dazu führen, dass sich die Leute draufsetzen, die sich eh nicht mit dem eben Gesagten ins Verhältnis setzen wollen sondern eine halbe Stunde später, wenn sie dran sind, ihre Staatspräsidentenrede abspulen.

(2) Ja genau, oder die Ansprechgruppe für sexistische und rassistische Übergriffe. Statt erst mal davon auszugehen, dass sich die Leute gegebenenfalls gegenseitig ansprechen und helfen, geht man vom Schlimmstmöglichen aus, nämlich dass jemand komplett alleine und beziehungslos ist und dann etwas ganz Schlimmes passiert. Und dafür wird dann eine Gruppe geschaffen, die durch nichts legitimiert ist und von denen ich nicht weiß, welchen Begriff sie von Rassismus oder Sexismus hat. Und die sollen dann expertenmäßig besser damit umgehen wenn mir etwas passiert als die Leute vom Nachbarzelt?

(1) Im Grunde vergemeinschaftet man sich auf der Ebene des Verbrechens statt sich auf der Ebene von Glück und Befreiung zu Vergesellschaften. Und weil wir schon drüber sprechen, ich finde sowieso grade die Sexualität ist der blinde Fleck all dieser Camps, wo die Leute institutionell versuchen das schlimmste daran abzuwenden und sie ansonsten keine Rolle spielt bzw. es keinen positiven (utopischen) Begriff davon gibt. Diese Szene ist eine Mischung aus spießbürgerlichen Prüderie und infantiler Nichtsexualität mit jonglieren, hopsen, spielen und ab und zu vom Papa(Staat) bestraft werden.

(15) Ja ,fein, einer hat gemerkt, dass Sexualität ein Thema ist, wenn erwachsene Menschen eine Woche lang zusammen campen, aber den Sexismus allein anhand des Kernthemas abhandeln zu wollen, finde ich total blöd und hab da auch keine Lust dazu, bei den Leuten.

(16) Wir hopsen halt gern rum.

(15) Und von wegen Infantilität und ,meinst du, ich hab ein Strafbedürfnis, weil ich das vor allem dann mache, wenn Ordnungskräfte in der Nähe sind ? Nee. So nicht.


(4) Es gibt halt nichts Gutes im Schlechten und man hat genug Erfahrung aus der Geschichte, was alles scheiße abläuft in der Szene.

(3) Genau, die Scheiße passiert doch. Deswegen war die Ansprechgruppe im Übrigen auch nicht nur von der Vorbereitung sehr wohl legitimiert, sondern hat auch auf vielen Kanälen versucht, ihre Definition von Sexismus mitzuteilen. Letztes Jahr in Jena ist eine alleine angereiste Frau Opfer eines massiven sexistischen Übergriffs geworden und hatte niemanden außer die Ansprechgruppe. Es war gut, dass es sie gab, schließlich sind wir halt alle strukturell rassistisch und sexistisch, das ist in uns drin.

(2) Wenn du rassistisch bist, dann will ich hier mit dir nicht sitzen und reden, dann geh lieber.

(1) Hey, haltet mal den Ball flach. Natürlich reproduzieren wir tagtäglich die schlechten Verhältnisse, gegen die wir kämpfen, da beisst die Maus kein Faden ab. Aber wenn man sich auf das Unterdrückungsverhältnis Rassismus fokussiert, affirmiert man es mit jedem Satz. Statt so persönliche Reuebekenntnisse abzulegen wie bei der Beichte, sollten wir lieber was gegen die schlechten Verhältnisse unternehmen.

(2) Ich gebe dir Recht, wenn du sagst, dass Rassismus auf dem Camp reduziert wurde auf das Unterdrückungsverhältnis von deutschen Staat und MigrantInnen, bzw. analog dazu auf das bußmäßige Schuldverhältnis von deutschen Antiras und MigrantInnen. Das Problem ist, dass keine Vorstellung davon herrscht, wie das kämpferisch miteinander in Verbindung zu bringen sei.

(3) Das ist doch gelogen, dass es da keine Idee gibt. Seit zwei Jahren gibt es die sogenannten Extra-Meeting von Flüchtlingen und Nicht-Flüchtlingen, die sich regelmäßig treffen und in mühseliger Kleinstarbeit versuchen, rassistische Trennungen innerhalb der Szene zu reflektieren, zu überwinden und ein gemeinsames, ein trans-identitäres „Wir“ zu schaffen. Ihr lasst Euch da nicht nur nicht blicken, ihr ignoriert sogar die Resultate.

(2) Extrameeting? Für transidentitäre Extraprobleme? Die Frage des Verhältnisses klärt sich nicht in Betroffenheitsgruppen sondern in den Kämpfen.

(1) Es bringt nichts, auf den ständigen Widerspruch zu pochen. Dabei schafft man die selbe Trennung immer und immer wieder, auch wenn man sie dreimal abschaffen will.

(3) Bullshit. Die Trennung schaffen nicht wir, die Trennung ist da - Konstrukte von Rasse, Ethnizität, Nationalität haben eine materielle Basis in ungleichen Rechten und damit verbundenen ungleichen Erfahrungen, Prioritäten und Privilegien. Rassismus ist ein feingegliedertes System von Ein- und Ausschlüssen und wir versuchen, diese auch auf dem Camp und in der Zusammenarbeit zu reflektieren.

(2) Du sagst es selber, das Konstrukt von Rasse führt zu unterschiedlichen Zugängen zu materiellen Ressourcen, zu kulturellen Kapital und zu individuellen und kollektiven Rechten. Insofern wird sich dieses Verhältnis nur in den Kämpfen gegen diese gesellschaftlichen Zugänge verändern und nicht in Gesprächsrunden. Es ist kein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftliches.

(4) Man muss eben aushalten können, zu diesem System in radikalen Widerspruch zu stehen. Das ist die Kraft der Negation.

(1) Ja, aber nur wenn diese Negation auch auf dem Camp gilt. Dort hatten nur wenige den Mut, NEIN zu sagen gegen dieses ganze stumpfe Geklatsche. Auf den Plena waren sich die meisten immer einig! Es herrschte so eine Art Zwangsharmonie, die abwechselnd mal Solidarität mal Gemeinsamkeit hieß. Das war die totale autoritäre Formierung. Wenn es so ist, sollten wir einfach ein Aktionsbüro eröffnen, das die Demos und andere Aktionen noch besser managed und noch effektiver gestaltet und uns lieber nicht dem Risiko aussetzen, miteinander in Konflikt zu geraten.

(2) Schön und gut, aber du machst bei deiner Argumentation immer den Fehler, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben. Es stimmt, dieses ES IST SOWIESO ALLES KLAR nervt und verhindert die kritische Nachfrage, was man eigentlich selber auf so einem Camp will. Diese Frage war tabuisiert oder wurde mit schlechten Demoparolen beantwortet. Was Antirassismus ist oder sein könnte, blieb unklar oder wurde auf der persönlichen Ebene abgehandelt, oder in Extra-Meetings.

(4) Verstehe kein Wort von dem was ihr da redet.

(2) Na es wurde auf dem Forum an der FH und auch auf den späteren Plena auf dem Camp immer wieder davon geredet, wie man gut mit MigrantInnen zusammenarbeiten kann. Aber wenn die Frage so gestellt wird, WIE KÖNNEN WIR MIT MIGRANTEN ARBEITEN/UMGEHEN? sind schon per se alle Nichtdeutschen raus aus der Diskussion, weil das WIR in dem Satz schon rein grammatikalisch ein deutsches WIR ist. Und obwohl man vorgibt, genau das Gegenteil zu wollen, klopft man so die eigene nationale Identität fest.

(4) Du tust ja grade so als ob wir Nationalisten wären. Wir sind aber Internationalisten, viele meiner Genossen kommen aus anderen Ländern, das lass ich mir von dir Jungspunt nicht krummreden. Wir haben schon "Hoch die internationale Solidarität" gerufen, da ward ihr noch nicht einmal geplant.

(1) Dennoch muss man sich doch fragen, was die Fokussierung auf MigrantInnen soll.

(2) Nein! Man muss sich fragen, was die Fokussierung auf Antirassismus soll. Das ist eben nicht dasselbe, und genau das haben die letztes Jahr in HH auch nicht kapiert.

(1), (3), (4), Kapier ich auch nicht.

(2) Dann versuche ich es mal andersherum. Kein Kanake ist Antirassist. Er kümmert sich ein Dreck darum was rassistisch ist und versucht stattdessen sein Ding zu machen. Und mit dem was da in die Quere kommt, muss er oder sie eben umgehen, in dem man den Scheiß, der einem ständig begegnet vermeidet, überrennt, verändert, unterläuft oder gegen das man auch verlieren kann. Aber das ist nicht die politische Bestimmung. Vielleicht sind die Strategien und Effekte dieser Handlungen antirassistisch, aber mehr auch nicht. An diese alltäglichen Handlungen kann aber politisch angeknüpft werden. Das hätte ich mir von dem Camp erhofft, dass es sich auf diese Autonomie der Migration bezieht. Dann ist Rassismus ein vielgesichtiges Problem auf das es ebenso viele Antworten gibt. Der Fokus ist aber nicht Antirassismus, sondern ein gutes Leben, für das auch dazu gehört, gegen Rassismus zu sein. Deshalb kann man Politik machen ausgehend von der Migration aus, als Migrant, oder mit Migranten, als Deutsche, oder mit Deutschen, wie auch immer, ohne sich als antirassistisch zu verstehen UND GLEICHZEITIG sich auf die Kämpfen der MigrantInnen zu beziehen. Also gegen Rassismus statt Antirassimus.

(3) Das ist ja so unendlich billig - ihr beiden erzählt mir, wenn wir mit Antirassismus aufhören, dann wird es auch keinen Rassismus mehr geben, dass Rassismus eigentlich ein erst von uns reproduziertes Problem sei - der real existierende gesellschaftliche Konsens interessiert Euch dabei nicht. Und dann forderst Du stattdessen sollten wir für das „gute Leben“ kämpfen. Etwas platteres fällt Dir wohl nicht ein. Genau so eine Phrase wie „Für den Kommunismus“. Aber was heißt das denn? Was ist denn das „gute Leben“? Und für wen? Gutes Leben für die Schreibtischtäter? Dass die Menschen, die den rassistischen Konsens tragen sich unter gutem Leben etwas ganz anderes vorstellen, als wir, die in einer Gesellschaft ohne rassistische Spaltungen leben wollen, dürfte jawohl klar sein. Ob sie dieses Leben nun deshalb für gut halten, weil sie von den schlechten Verhältnissen verblendet sind ist dabei ja erst einmal völlig egal. Antirassismus heißt eben, sich in einer rassistischen Gesellschaft in der Frage nach dem guten Leben zu positionieren - nämlich auf der Seite derjenigen, denen das Leben durch diese Gesellschaft zur Hölle gemacht wird. Solidarität mit den Unterdrückten ist mehr als eine hohle Phrase - zumindest in meinem Politikverständnis.

(4) Solidarisch miteinander kämpfen, das war,ist und bleibt immer wichtig.

(1) Aber nur wenn dein Begriff von Solidarität auch Kritik voraussetzt statt sie zu verbieten oder als unhöflich zu erklären. Kritik ist das wichtigste was wir haben, und das genaue Gegenteil von Klatschen einerseits und Ausschlussforderungen wie auf dem „außerordentlichen Zwischenplenum“ - noch so'n Extra-Meeting - am dem Mittwoch des Camps anderseits.

(2) Ja, leider können wir das nicht mehr rückgängig machen. Vielleicht bedeutet der politische Bankrott des Camps tatsächlich, dass es keine Camps mehr geben sollte. Zumindest der Bezug auf Antirassismus scheint nur noch in einer autoritären Formierung zu münden.

(4) Da kann ich dir aus meiner Geschichte, die ja schon ein Stück weiter zurückgeht als von euch jungen Leuten, ausnahmsweise mal Recht geben. Wenn ich an die 70er Jahre zurückdenke, dann waren es vor allem die Apologeten der Arbeiterkämpfe, die versuchten, alle Kämpfe unter das Primat des Klassenkampfs zu stellen, statt andersherum von ihnen auszugehen und sie auch in andere gesellschaftliche Verhältnisse reinzutragen - wie z.B. dem Geschlechterverhältnis. Die vermeintliche Stärke, die aus der Arbeiter-Einheit entstand, hat die Bewegung erstarren lassen und so letztlich kaputt gemacht.

(1) Ich bin beeindruckt, jetzt redest du selber wie ein Autonomer. Stimmt, die Sponti-Bewegung wurde damals dann von der nächsten Generation, den Autonomen, die kein Bock auf diese Formierung hatten, abgelöst.

(3) Und jetzt meint ihr, soll die antirassistische Bewegung, die seit mehr als 10 Jahren der zentrale Punkt ist, wo sich die Linke trifft und in der sich die meisten jungen Leute engagieren, auch beendet und abgelöst werden? Ihr spinnt ja.

(2) Kann schon sein, dass das jetzt angesagt ist, aber das werden dann schon die Leute von selber tun. Aber bei diesem Begriff von Antirassismus ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Was wir brauchen ist ein Verständnis von Migration, aus deren Perspektive das Grenzregime, die verschiedenen Rassismen und auch die kapitalistische Verwertungslogik immer wieder in Frage gestellt und aufgebrochen werden. Diese Perspektive ist viel kämpferischer als das pseudoradikale Starren auf den bösen Staat und die bösen Deutschen, in der keine Idee der Veränderung mehr mitschwingt und wo Verbesserungen der Situation sogar die eigene Radikalität bedrohen könnte. So wie der Antideutsche seinen totalen Volksmob braucht, so braucht der Antirassist seinen rassistischen Konsens, und die Linken ihre prügelnden Bullen.

(4) Also plädierst du für Operaismus?
(1) Nein, für Autonomie!
(3) Nee, für bürgerlichen Reformismus.

(1) Vielleicht sollten wir diese Diskussion mit allen hier im Saal führen.

(3) Okay, wer macht die Redeliste??

(1),(2) und (4): NIEMAND!!!

Soweit der Input für die Diskussion am 16.10.03 in Köln. Wer zu dieser Diskussion Charaktere oder Beiträge ergänzen möchte - im Text oder leichter: als Teil der folgenden Diskussion, schreibt an theater (at) food-not-bombs de - wir nehmen uns die Freiheit, neue Beiträge blau markieren.