Nach über dreistündiger Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Köln hat die Polizei heute durch Teilnehmerinnen des 6. antirassistischen Grenzcamps in drei Klagepunkten eine Niederlage erlitten. Das Grenzcamp hatte im Jahr 2003 seit dem 30. Juli auf den Poller Wiesen als rechtmäßig angemeldete Versammlung seine Zelte aufgeschlagen und war am 9. August 2003 von der Kölner Polizei mit über 2000 BeamtInnen geräumt worden.
Die VertreterInnen des Polizeipräsidenten,
Herr Braun, Frau Euler und Herr Sander, mussten nun eingestehen, dass die
Fesselung einer der Klägerinnen bei ihrer damaligen Gewahrsamnahme rechtswidrig
war. Diese Bewertung lässt sich auf mehr als 100 CampteilnehmerInnen
übertragen, die genauso behandelt wurden. Ebenso rechtswidrig war die
Feststellung von Personalien inkl.
Fotografierens der CampteilnehmerInnen, die am Tag der Räumung das Camp
nur über polizeiliche Kontrollstellen verlassen konnten, soweit dieses
vor der Auflösung der Versammlung auf den Poller Wiesen um 18:18 Uhr
geschah. Das Kontrollieren und Aufhalten von Menschen, die das Camp betreten
wollten, wurde vom Gericht sogar grundsätzlich als rechtswidrig bezeichnet.
Damit hat das Verwaltungsgericht in allen Punkten, über die heute entschieden wurde, die Rechtsauffassung der Klägerinnen bestätigt. Die Anträge der Klägerinnen, dass
a) die Abriegelung des Camps ab
13:30 Uhr ohne polizeiliche Auflösung der
Versammlung,
b) die Auflösung der Versammlung um 18:18 Uhr,
c) die darauf folgende Gewahrsamnahme der verbliebenen CampteilnehmerInnen
und
d) die Verbringung nach Brühl in die Gefangenensammelstelle
rechtswidrig war, müssen an einem weiteren Verhandlungstermin vor Gericht erörtert werden. Dieser findet wahrscheinlich am Donnerstag, den 7. Dezember 2006 um 12 Uhr, Verwaltungsgericht köln, Appellhofplatz, statt.
Zur Information legen wir eine Darstellung der Ereignisse rund um die Räumung des Grenzcamps im Anhang bei.
Anhang:
Kurz vor Ablauf der Klagefrist haben mitte Juli 2004 stellvertretend für 684 TeilnehmerInnen des 6. antirassistischen Grenzcamps vier Frauen Klage beim Verwaltungsgericht Köln gegen den Polizeipräsidenten eingereicht. Sie waren alle Opfer der polizeilichen Räumung am 9. August 2003 geworden. Drei Klägerinnen waren in Gewahrsam genommen, in eine Polizeikaserne nach Brühl verbracht und dort erkennungsdienstlich behandelt worden.
Über eine Woche lang gab
es im Sommer 2003 Vorträge, Diskussionrunden, Demonstrationen und ideenreiche
Aktionen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung. Hunderte Menschen
beteiligten sich an dem Camp auf den Poller Wiesen direkt unter der Südbrücke.
Doch ein Tag vor dem geplanten Abschluss umstellte die Polizei mit mehreren
Hundertschaften das Camp und zwang alle 684 auf dem Gelände befindlichen
TeilnehmerInnen zur Abgabe ihrer Personalien. 307 Personen kamen der Aufforderung
der Polizei vor Ort nach, 377 AktivistInnen, die sich weigerten, wurden in
Gewahrsam genommen und in die Gefangenensammelstelle
nach Brühl verbracht, wo dann die Identitätsfeststellung vervollständigt
wurde.
Die von Rechtsanwalt Reinecke verfasste
Klageschrift beantragt nun festzustellen, dass die Einkesselung und Auflösung
des als Versammlung angemeldeten und bestätigten Grenzcamps rechtswidrig
war. Das Verbot, das Gelände zu betreten oder zu verlassen, die Datenerhebung
aller TeilnehmerInnen wie auch die Ingewahrsamnahme seien rechtswidrig gewesen.
Somit wurden die Betroffenen u.a. in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit
verletzt. Die Polizei hatte die Auflösung der Versammlung und alle weiteren
Maßnahmen damit begründet, dass im Laufe des Grenzcamps über
80 Straftaten begangen worden seien. Vor allem deshalb sei eine Identitätsfeststellung
zur späteren Strafverfolgung durchgeführt worden. Soweit die Rechtshilfegruppe
des Grenzcamps und Rechtsanwalt Reinecke das Vorgehen der Kölner Polizei
überschauen können, wurden dann auch mehrere hundert Ermittlungsverfahren
gegen CampteilnehmerInnen eingeleitet. Der Vorwurf lautete pauschal Landfriedensbruch,
Verstoß gegen das Versammlungsgesetz
und gefährliche Körperverletzung. Oftmals begannen die Ermittlungsakten
aber erst mit dem Antrag der Rechtsanwälte auf Akteneinsicht. Ein konkreter
Verdacht fehlt bei den meisten Angeschuldigten. Die Justiz hat inzwischen
alle Verfahren eingestellt. Darunter fallen auch die Strafverfahren gegen
sieben CampteilnehmerInnen, die ihren Wohnsitz nicht in Deutschland hatten
und deshalb für ihre Freilassung eine Sicherheitsleistung hinterlegen
mussten. Die Polizei hat hunderte Menschen unter Generalverdacht gestellt
und ohne konkrete Anhaltspunkte Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet,
nur um im Nachhinein ihr eigenes rechtswidriges Verhalten gegenüber dem
Grenzcamp vor der Öffentlichkeit rechtfertigen zu können. Die Räumung
des 6. antirassistischen Grenzcamps muss als abermaliger Versuch gesehen werden,
antirassistische Arbeit zu kriminalisieren. Menschen, die sich für MigrantInnen
und offene Grenzen einsetzen, werden in einem System, das Abschottung und
Abschiebungen praktiziert, als Bedrohung angesehen. Der
rassistische Normalzustand in unserer Gesellschaft, der die Akzeptanz und
damit erst die Durchführbarkeit von diskriminierenden Zwangsmaßnahmen
gegen Nichtdeutsche schafft, darf nicht gestört werden. Dafür wird
auch Recht gebeugt und gebrochen. Die Klage ist der Versuch, dem auf juristischer
Ebene zumindest für die Zukunft Schranken aufzuzeigen. Der politische
Wille zu rassistischem Verhalten und rassistischer Politik wird dadurch nicht
beeinflusst.