Den rechten Konsens durchbrechen! Faschistische Strukturen aufdecken und zerschlagen!

11. Oktober 1997, 15 Uhr, Bahnhof Saalfeld/Saale, Thueringen
Die Stadt Saalfeld, Kreisstadt des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt, ist mit ihren Einwohnern das, was man gemeinhin als Provinz bezeichnet. Sie liegt im Suedosten Thueringens und ist jeweils etwa 50 Kilometer von groesseren Staedten wie Jena und Erfurt entfernt. Trotz oder gerade wegen dieser Abgeschiedenheit von der "Grossen Welt" hat sich hier ueber die Jahre ein gewaltiges Potential an rechtsorientierten Jugendlichen herausgebildet. Bei genauerer Betrachtung ist, aehnlich den Zustaenden in Wurzen, die Tendenz zur Bildung einer festen rechten Struktur erkennbar.
Politisch schwankende und gelangweilte Jugendliche werden versucht in diese feste Struktur zu integrieren. Getarnt als Wendeverlierer mit deutschnationaler Gesinnung tritt die Rechte ihren Feldzug gegen alles an, was der "deutschen Ordnung" im Wege steht. Dabei reichen die Aktivitaeten von der Forderung nach einem nationalem Jugendzentrum bis hin zur offenen Gewalt.
Die Entwicklung der faschistischen Szene im Landkreis exemplarisch wird hier, um die genannte Tendenz zu einer festen Struktur in der Naziszene zu verdeutlichen, auf einige Hoehepunkte faschistischer Aktivitaeten im Landkreis eingegangen.
Am 17. August 1992 marschieren etwa 2.500 Faschisten zum Gedenken an Rudolf Hess ungehindert und medienwirksam durch Rudolstadt. Im gleichen Jahr haelt der Chef der Deutschen Nationalen Partei (DNP), Thomas Dienel, in einer Gaststaette in der Naehe Saalfelds vor laufenden Kameras eine Rede anlaesslich einer Parteiversammlung, durchsetzt mit den ueblichen Idiomen.
Vom 11. bis 13. Juni 1993 halten die Vereine "Deutsches Kulturwerk europaeischen Geistes", der "Freundeskreis Ulrich van Hutten" und die "Notgemeinschaft fuer Volkstum und Kultur e.V." nahe Saalfeld, im Schutz von Polizei und Wiking-Jugend ein Treffen ab.
Am 30. April 1994 treffen sich etwa 150 Faschisten aus dem gesamtem Bundesgebiet zur Walpurgisnacht am Ortsausgang Saalfeld. Zwei Wochen spaeter, am 14. Mai, findet in Rudolstadt ein angemeldetes und genehmigtes Konzert mehrerer Fascho-Bands statt, welches bundesweit etwa 350 Faschisten anzieht.
Waehrend am 8. Mai eine Kranzniederlegung von 150 Antifas in Rudolstadt durch die Polizei massiv angegriffen wird und es zu mehreren Festnahmen kommt, gelingt es Faschisten mittels einer Bombenattrappe fast die Gedenkfeierlichkeiten am antifaschistischen Mahnmal in Saalfeld im wahrsten Sinne des Wortes zu sprengen (10. September 1995).
Im August 1995 treffen sich 70 Faschisten aus der Region auf dem Rudolstaedter Volksfest und koennen dort ungehindert Straftaten wie "Koerperverletzung" begehen, Parolen skandieren und Propagandamaterial zur Rudolf-Hess-Woche verteilen. Dies wiederholt sich 1996 aehnlich, wobei die anwesende Polizei, statt das Nazitreffen aufzuloesen, gegenueber den Antifas Platzverweise erteilt...
Im September 1996 besetzen etwa 40 Faschisten ein altes Fabrikgebaeude in Saalfeld, welches von der Polizei schliesslich geraeumt wird, aber den Anstoss fuer eine Kampagne zu Gunsten eines "Nationalen Jugendzentrums" bildet. Gleichzeitig bildet sich um den Kontaktmann der Anti-Antifa Ostthueringen und Anmelder verschiedener Rudolf-Hess-Demos und besagten Fascho-Konzertes, Tino Brandt (Hervorhebungen des Namens Tino Brandt nicht im Original - SL), der Deutsche Freundeskreis (DFK), dessen Betaetigungsfeld hauptsaechlich in der Rekrutierung und Vernetzung national gesinnter Jugendlicher im Landkreis zu finden ist. 1997 fallen die Faschisten besonders durch gezielte Gewaltakte gegenueber Auslaendern und missliebigen Menschen auf, bzw. durch die Kampagne fuer ihr Jugendzentrum. Ausserdem kann man eine zunehmende Verknuepfung von Faschos mit Dealern und der Zuhaelterszene bemerken, so versucht etwa der Faschist Marcel Biehl eine Nachtbar mit Animierbetrieb vom Stadtrat Saalfeld genehmigen zu lassen.
Dies ist nur moeglich, weil die Mehrheit es duldet bzw. wegschaut! Keine Duldung faschistischer Zentren Ein Versuch, Saalfeld und Umland in ein Netzwerk faschistischer Organisierung zu integrieren, ist, ein "Nationales Jugendzentrum" aufzubauen. Dazu hat sich um Tino Brandt im Sommer 1996 ein "Aktionskommitee Deutsches Jugendhaus Saalfeld" konstituiert, dessen Sprecher Brandt ist. Obwohl Teile der regionalen Presse das Anliegen der "vernachlaessigten Jugendlichen" als legitim charakterisieren, lassen die Fakten nur erahnen, welche Folgen ein solches Zentrum fuer die Region haette.
Tino Brandt ist verantwortlicher Redakteur der Neuen Thueringer Zeitung (NTZ), die dem "Nationalen Medienverband" unter Fuehrung Christian Wendts angehoert. Wendt unterhaelt Verbindungen zu dem einschlaegig bekannten Anwalt Juergen Rieder (NPD), Frank Schwerdt (Die Nationalen e.V.), Wolfram Nahrat (Wiking-Jugend) und Hans-Joerg Rueckert (Hoffmann-von-Fallersleben- Bildungswerk). Friedhelm Busse (FAP) und Steffen Hupka (Sozialrevolutionaere Arbeiterfront) etwa treten als Autoren fuer den Medienverbund auf. Weiterhin ist Tino Brandt Mitunterzeichner der "Pullheimer Erklaerung", die unter Federfuehrung der "Deutschen Liga" die Einheit der rechten Szene manifestieren soll. Brandt war einer der Hauptkoordinatoren des Hess- Aufmarsches 1992, Anmelder des Nazikonzertes 1994 und weiterer Hess-Demos in verschiedensten Staedten. Fuer die Anti-Antifa tritt Brandt als Ostthueringer Kontaktmann auf, im Internet schreibt er unter dem Pseudonym "Till Eulenspiegel" Beitraege fuer das rechte "Thule-Netz".
Interessant ist auch die Telefonnummer des waehrend der damaligen Hausbesetzung eingerichteten Kontakt- und Pressetelefons, jene ist auf die Mutter von Andreas Rachhausen angemeldet. Rachhausen, ein einschlaegig bekannter Faschist, ging kurz nach der Wende in die Fremdenlegion. 1992 organisierte er mit Brandt den Hess-Aufmarsch in Rudolstadt. Nach einem Ueberfall auf eine Diskothek in der Region Saalfeld tauchte er nach Frankreich bei dem Soeldnerfuehrer Michel Faci unter, der bei dem Aufmarsch die franzoesische Delegation angefuehrt hatte. Danach ging es weiter nach Kollund/Daenemark, wo er sich bis zu seiner Auslieferung durch die daenischen Behoerden bei Thies Christofferson aufhielt, Mitglied der NSDAP/ AO von Gary Lauck und Publizist von Schriften zur "Auschwitzluege". Die beiden Beispiele zeigen die Gefahr, die von einem solchen Zentrum ausgehen kann.
Von einem Anlaufpunkt fuer orientierungs- und perspektivlose Jugendliche kann hier keine Rede sein, eher vom Aufbau eines weiteren Mosaiksteines im rechten Netzwerk, das unter dem Deckmantel der Jugend- und Sozialarbeit auf die Akzeptanz von weiten Teilen der Behoerden und der Bevoelkerung setzt.

Repressionen gegen Antifaschisten im Landkreis
Waehrend Faschisten im Landkreis fast unbehelligt ihre Aktionen durchziehen, werden Antifa und alternative Projekte massiv von Behoerden, Polizei und Justiz kriminalisiert. Fadenscheinige Begruendungen fuehren zu Hausdurchsuchungen. Zurueck bleibt oft ein Zustand allgemeiner Verwuestung. Bewohnern der alternativen Projekte versucht man, durch mysterioese Drogenfunde zu kriminalisieren. Mitglieder des vermeintlich "harten Kern der Szene" sollen auf Grund fadenscheiniger Vorwuerfe durch "muendliche Haftbefehle" in Gewahrsam gebracht, als Zeugen fuer nicht erfolgte Straftaten vorgeladen werden und so eine Aufsplittung der Gruppe voranzutreiben...
Hausdurchsuchungen mit Foto- und Videoaufzeichnungen, Abhoeren des Telefons und Ueberwachung des Schriftverkehrs werden verwendet, um sich auf den neuesten Sand der Entwicklungen in der Antifa-Szene zu bringen.
Im Zuge des Polizeieinsatzes am 2. Mai 1997 anlaesslich eines Klubhaus stattfindenden Punk-Konzertes kommt es zu massiven Ausschreitungen von Polizisten gegenueber unbeteiligten Passanten, die nur durch ihr Aussehen dem alternativen Spektrum zugeordnet wurden. So wurde mit gezogener Pistole nach den Papieren gefragt, Radfahrer vom Rad auf die Strasse gestossen und es kam zu wahllosen Festnahmen. Einzelne Polizeibeamten machten rechtsextreme Aeusserungen. Arrestierte wurden misshandelt und medizinische Hilfe verweigert und beleidigt. Seither wurde nun schon mehrmals versucht, einerseits durch ungerechtfertigte Polizeiaktionen das Haus zu schliessen und andererseits durch den Aufbau eines schlechten Images die Zustimmung durch die EinwohnerInnen zu organisieren.
Im Juli 97 wurde im Stadtteil Gorndorf, eine Hochburg neofaschistischer Aktivitaeten, ein 4,5 Millionen DM teures Stadtteil-Zentrum eroeffnet, das den Faschisten Grundlagen zum Ausbau ihres Netzes bietet.
Kranzniederlegungen und Demonstrationen (1995) charakterisiert man als Werk von Chaoten, greift diese unverhaeltnismaessig an, bzw. be- und verhindert deren Durchfuehrung.
Es laesst sich feststellen, dass die gaengige Praxis zur Verharmlosung der rechten und rechtsextremen Kreise fuehrt und antifaschistischer Widerstand zu Chaotentum stigmatisiert und in zweifelhafte politische Stereotype gedraengt wird.
Den rechten Konsens durchbrechen!
Faschistische Strukturen aufdecken und zerschlagen!
11. Oktober 1997, 15 Uhr Bahnhof Saalfeld/Saale, Thueringen
Wir fordern:
Keine Verharmlosung rechter Gewalt in Saalfeld und anderswo!
Kein nationales Jugendzentrum in Saalfeld!
Keine Duldung und Foerderung rechter Strukturen durch Staat und Gesellschaft!
Stop Kriminalisierung antifaschistischer und antirassistischer Menschen und Initiativen!
Fuer den Erhalt des Saatfelder Clubhauses der Jugend!
Zur Demonstration am 11. Oktober 1997 rufen auf:
LAG AntiFa/Antirassismus Thueringen, GewerkschafterInnen gegen Rassismus und Faschismus Thueringen, Antifa Saalfeld/Rudolstadt